Dekanat Rüsselsheim

Angebote und Themen

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        Ökumenischer Sozial-Talk am Buß-und Bettag mit Melanie Wegling, MdB

        Armut lindern und verhindern

        Heidi Förster

        Armut, Armutsursachen und notwendige Maßnahmen wurden beim ökumenischen Podiumsgespräch mit der Bundestagsabgeordneten Melanie Wegling am 16. November 2022 auf Einladung der Kirchen im Kreis Groß-Gerau in den Räumen der Tafel diskutiert.

        „Armut bedeutet, dass in der Mitte des Monats das Geld für das Notwendigste fehlt und dass man häufiger krank wird, weil man kein gesundes Essen zubereiten kann. Armut bedeutet, dass keine Rücklagen gebildet werden können. Das bekommen wir hier in Groß-Gerau zu spüren“, leitete Lucian Lazar, Leiter des Regionalen Diakonischen Werkes im Kreis Groß-Gerau das Gespräch ein. Eric Niekisch vom Caritasverband ergänzte: „Die Stimmung ist unserem Land rauer und Atmosphäre spürbar kälter geworden. Langanhaltende Pandemie, neue Kriege und gesellschaftliche Auseinandersetzung haben tiefe Risse und deutliche Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen. Viele Menschen fühlen sich abgehängt und ausgegrenzt. Im Kreis Groß - Gerau leben ca. 29.000 Menschen, die auf Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung angewiesen sind.“  
        Melanie Wegling betonte, dass sie sich angesichts dieser fatalen Schräglage, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährde, für ein gerechteres Steuersystem mit Vermögensabgaben einsetze. 40 Prozent der Bürger*innen hierzulande verfügten über keinerlei Vermögen, wozu auch ein Auto zähle. Und auch die Mehrwertsteuer schlage bei Geringverdiener*innen ungleich stärker ins Gewicht.
        Auf Bundesebene setze sie sich ebenfalls für eine Abschuldenlösung von Kommunen ein. Einen weiteren Schwerpunkt zur Verminderung von Armut sieht die studierte Politikwissenschaftlerin und Sinologin in der Förderung des sozialen Wohnungsbaus. „Ausgaben müssen erhöht werden. Ich setze mich dafür ein, dass auch klimagerechter Wohnraum geschaffen wird.“ Eine dringende Forderung, angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren mehr Wohnungen aus der Sozialraumbindung raus- statt aufgenommen wurden.

        Armut trotz Arbeit
        Ingrid Reidt, Betriebsseelsorgerin in der Region Südhessen, lenkte den Blick auf die größer werdende Zahl der Menschen, die trotz Arbeit arm sind. „Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft. Gute Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen vom Lohn der Arbeit leben können und sie durch ihre Erwerbstätigkeit ein existenzsicherndes Einkommen haben. Die Realität ist trotz branchenübergreifendem Mangel an Fach- und Arbeitskräften eine andere: Die Zahl der prekär Beschäftigten ist konstant hoch. Armut trotz Arbeit hat längst die Mitte der Gesellschaft erreicht. Betroffen sind vor allem Frauen. Dies alles spaltet die Gesellschaft, entwertet Arbeit, schafft sozialen Unfrieden. Menschen mit und ohne Arbeit werden gegenseitig ausgespielt.“ 
        Auf die Frage nach konkreten Maßnahmen der Politik, um hier gegenzusteuern, nannte  Melanie Wegling die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und die essentielle Aufgabe, Tarifbeschäftigungen weiter zu fördern. So würde konkret überall dort, wo Steuergelder ausgegeben werden, um Dienstleistungen einzukaufen, darauf geachtet, dass die Betriebe tariflich gebunden sind.
        Im Laufe der Diskussion mit den Teilnehmenden der Veranstaltung kam auch zur Sprache, dass arbeitsfördernde Maßnahmen flächendeckend ausgebaut werden müssen. Lucian Lazar forderte eine Verstetigung für das Projekt Mehrgenerationenenhaus, das pro Jahr neu beantragt werden muss.

        Teilhabe jenseits von Diskriminierung

        Wolfgang Prawitz, Pfarrer für Ökumene im Ev. Dekanat Groß-Gerau-Rüsselsheim, brachte die Ungleichbehandlung Geflüchteter zur Sprache. „Wir freuen uns sehr, dass für geflüchtete Menschen aus der Ukraine Bedingungen geschaffen wurden, wie wir sie uns für alle Geflüchteten schon seit vielen Jahren wünschen, Menschen, die auch vor Krieg und Gewalt geflohen sind und hier Schutz suchen – z.B. aus den Kriegsgebieten Syrien, Afghanistan, Somalia. Menschen, die zu uns geflüchtet sind, wollen selbst zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Und aus der Trauma-Forschung wissen wir, wie wichtig das und damit auch ein geregelter Tagesablauf sind. Deshalb wünschen wir uns den Arbeitsmarktzugang für alle Geflüchteten, von Anfang an. Im Landkreis Groß-Gerau haben viele Menschen Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine bereitgestellt. Dabei sind auch die Kirchen mit insgesamt mindestens drei Pfarrhäusern. Sammelunterkünfte können und sollen nur als erste Unterbringung mit möglichst kurzer Verweildauer Wohn- und Unterbringungsmöglichkeiten dienen. Trotzdem leben viele Flüchtlinge aus anderen Ländern als der Ukraine z.T. seit Jahren in Sammelunterkünften, und das auch dann noch, wenn sie endlich Zugang zum Arbeitsmarkt und einen Job haben. Diese ungleiche Behandlung geflüchteter Schutzsuchender lässt sich mit dem Begriff eines latenten, wenn nicht gar manifesten, Rassismus beschreiben.“

        Hausaufgaben für die Bundestagsabgeordnete

        Melanie Wegling bekam an diesem Abend viele „Hausaufgaben“ mit nach Berlin. Es sei wichtig auch in Zukunft mit den Wohlfahrtsverbänden und Kirchen in Kontakt zu bleiben. Sie zeigte sich zuversichtlich, auf Bundesebene etwas verändern zu können. „Ich habe das Gefühl, dass Menschen mit einer guten Haltung im Bundestag zusammenkommen, die ihre Perspektiven einbringen.“
        Stefan Klaffeehn, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung und Diakonie im Ev. Dekanat Groß-Gerau-Rüsselsheim, der den Abend moderiert hat, bedankte sich herzlich bei Melanie Wegling. Armut bekämpfen ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und die Kirchen werden den Diskurs und Kontakt mit den politischen Akteur*innen, wie mit Melanie Wegling, weiterführen.
        Die engagierte Politikerin Wegling nahm noch an diesem Abend eine Einladung von Ingrid Reidt an, sie künftig bei einer Tarifverhandlung  zu begleiten.

        Heidi Förster
        Öffentlichkeitsarbeit

         

         

         

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