Gesprächsabend im Rahmen der Interkulturellen Wochen Groß-Gerau 2025
Frauen in Judentum, Christentum und Islam
Heidi Förster
30.09.2025
hf
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Nach jüdischem Recht ist jüdisch, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Wenn nur der Vater jüdisch ist, nicht aber die Mutter, dann ist das Kind nicht jüdisch. Diese Tatsache verdeutlicht, dass die Frau eine vornehmliche Rolle in der Erhaltung der jüdischen Identität und Werte hat. Petra Kunik von der jüdischen Gemeinde Frankfurt betonte, dass sich bis heute die Rechte und Pflichten für die jüdischen Frauen auf Mutterschaft und die jüdische Haushaltsführung bezögen. Am Schabbat und an Feiertagen sei es das Gebot für die Frauen, die Kerzen anzuzünden. Damit übernehme die Frau die Rolle der Priesterin, denn nach traditionell-jüdischem Verständnis ist nach der Tempelzerstörung der häusliche Tisch an die Stelle des Altars im Tempel getreten.
Vorkämpferinnen waren die Frauenrechtlerinnen Berta Pappenheim und Sidonie Werner, die 1904 den Jüdischen Frauenbund gründeten und für die Gleichsetzung der Frauen in den jüdischen Gemeinden und um das Wahlrecht kämpften. 1929 stimmten schließlich 23 jüdische Gemeinden in Deutschland dem aktiven und passivem Gemeindewahlrecht ihrer Frauen zu.
Petra Kunik ist Gründungsmitglied des Egalitären Minjan, einer seit 30 Jahren bestehenden Synagogengemeinschaft der liberalen Jüdinnen und Juden in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Dort leitet die Rabbinerin Elisa Klapheck seit 2009 die Gottesdienste. „Im geschlechter-gleichberechtigten Gottesdienst beten wir nicht nur Abraham, sondern nennen gleichrangig Stammväter und Stammmutter wie Sara oder Lea“, so Petra Kunik. Sara, die Frau Abrahams wird als starke, mutige und gläubige Frau beschrieben. Wichtig sei, wie bereits Berta Papenheim feststellte, solche Frauenfiguren aus der Tora bekannt zu machen.
Jasmina Makarevic vom Bosnischen Kulturzentrum Frankfurt betonte, dass die Sicht des Korans auf Frauen und Geschlechtergerechtigkeit stark durch die jeweilige Auslegung geprägt sei. „Während patriarchale Gesellschaften oft religiöse Texte zur Legitimation von Ungleichheit heranziehen, zeigt eine kontextuelle und feministische Koranexegese, dass der Koran durchaus Ansätze zur Gleichstellung bietet.“ Der Koran betone in Sure 33 mehrfach, dass Männer und Frauen gleich sind. Auch die Königin von Saba wird als eine mächtige Herrscherin beschrieben, die diplomatisch und klug handelt. Maria werde als die einzige Frau, die namentlich im Koran genannt werde, als Vorbild im Glauben dargestellt.
„Zur Zeit des Propheten konnten Frauen gemeinsam beten. Beim Freitagsgebet waren die Frauen dabei“, so Makarevic. Nach dem Tod des Propheten sei die Emanzipation verschwunden und Frauen, die ihre Rechte fordern, würden als Feministinnen beschimpft.
Wichtig sei, zu prüfen, wer den Koran aus dem arabischen übersetzt habe. Denn viele Begriffe könnten zweideutig übersetzt werden und basierten auf kulturellen Kontexten. „Viele Ungleichheiten, die Frauen im Namen des Islam erleben, stammen nicht aus dem Koran selbst, sondern aus patriarchalen Interpretationen.“
In der Bildungsarbeit mit Mädchen und Frauen könne eine kontextuelle Lesart befreiend wirken, um sich für die Gleichstellung einzusetzen. Als Beispiel diene Asiya, die Frau des Pharao, die sich mit spiritueller Stärke der Tyrannei widersetzte.
Kristin Flach-Köhler, Leiterin des Ev. Zentrum für Interkulturelle Bildung, betonte, dass Geschichten von Frauen in der Bibel, die sie stärken und ermächtigen, nicht einfach zu finden seien. Als Beispiel las sie die Geschichte der Salbung Jesu in Bethanien (Markus 14:3-9) im Hause des Aussätzigen Simon, in das sich Jesus nach seiner Verurteilung entkräftet zurückgezogen hatte. Eine Frau, die in einigen anderen Evangelien als Maria Magdalena identifiziert wird, salbt Jesu mit einem teuren Öl. Einige Jünger sind verärgert über die Verschwendung, aber Jesus verteidigt die Frau und sagt, dass sie ein gutes Werk an ihm getan habe. Denn in der größten Krise stand sie Jesus bei. „Einen Ehrenplatz hat sie von Jesus erhalten, den Ehrenplatz hat man ihr verwehrt, wie vielen anderen Frauen in der Kirchengeschichte auch“, so Kristin Flach-Köhler.
Da die biblischen Texte in einem patriarchalen Umfeld entstanden seien, sei davon auszugehen, dass Rolle und Bedeutung von Frauen in den frühen christlichen Gemeinden eher klein geredet würden. Daher hätten, so Flach-Köhler, feministische Theologinnen gelernt, mit der „Hermeneutik des Verdachts“ solche Bibelstellen neu zu lesen, um Vorurteile aufzudecken.
Der Abend hat gezeigt, wie wichtig es ist, die religiösen Schriften mit kritischem Blick auf die jeweilige Zeit ihrer Entstehung und Übersetzung zu lesen. Dies dient der Vergewisserung, dass die Würde der Menschen und die Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Religionen grundlegend ist.
Dafür ist es wichtig, wie an diesem Abend, die Geschichten von den mutigen, klugen und spirituell starken Frauen zu lesen und weiterzuerzählen.
Heidi Förster
Öffentlichkeitsarbeit
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