Gedenken am 9. November 2023 in Gross-Gerau
"Das darf heute nicht wieder passieren!"
Heidi Förster10.11.2023 hf Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ist als Reichspogromnacht in die deutsche Geschichte eingegangen. In dieser Nacht zündeten von der Demagogie des Hitlerregimes verblendete Menschen Synagogen an, beschädigten jüdische Geschäfte und Wohnhäuser, plünderten fremdes Gut und quälten Bürger jüdischer Abstammung. Der Terror richtete sich aber auch gegen die jüdische Bevölkerung, ihre Wohnungen und Geschäfte. Systematisch wurden jüdische Wohnungen zerstört und die Menschen misshandelt. Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte der Prälat-Diehl-Schule erinnerten mit Texten und Quellen an die Verlogenheit der Darstellungen jener verhängnisvollen Nacht wie in der Lokalzeitung vom 11. November 1938, in der u.a. von „Schutzhaft der Juden“ die Rede war. Es gehe darum, aus der Erinnerung des ganzen Ausmaßes des Zynismus der NS-Täter und ihrer Verdrehung der Wahrheit für uns und unsere Zukunft zu lernen.
Bürgermeister Erhard Walther bekräftigte in einer kurzen Ansprache: "Wir müssen öfter und konsequent gegen Unrecht eintreten."
Pfarrer Wolfgang Prawitz mahnte in seiner Rede, dass die evangelische Kirche von Anfang an, schon beim Boykott jüdischer Geschäfte 1933, scheute, ein öffentliches Wort zugunsten der verfolgten Juden zu sagen und das trotz einer ausdrücklichen Bitte der Reichsvertretung der deutschen Juden an den Ev. Oberkirchenrat in Berlin. Die Antwort lautete: „Verfolgen Entwicklung mit größter Wachsamkeit, hoffen, dass Boykottmaßnahmen mit heutigem Tag ihr Ende finden.“
„Das darf heute nicht wieder passieren!“, so Prawitz. „Seit dem brutalen Terrorakt der Hamas am 7. Oktober nehmen weltweit Antisemitismus und die Bedrohung jüdischer Menschen in einem ungeheuren Ausmaß zu. Und leider auch in unserem Land. Es ist unerträglich, dass erneut jüdische Menschen bedroht und verfolgt werden.“ Da genüge eine so laue Antwort wie 1933 vom Ev. Oberkirchenrat in Berlin verfasst, nicht. „Wir stellen uns ausdrücklich gegen jede Form von Antisemitismus und Judenverfolgung.“
Wolfgang Prawitz zitierte die gemeinsame Erklärung von Kirchenpräsident Volker Jung mit dem Landesverband jüdischer Gemeinden in Hessen am 17. Oktober: „Wir stehen fest an der Seite Israels. Wir solidarisieren uns mit den Opfern und ihren Angehörigen. Wir denken an alle, die hierzulande Angst haben und um Angehörige und Freunde in Israel bangen. Wir stellen uns entschlossen all denen entgegen, die versuchen, eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben und Israel als den eigentlichen Aggressor darzustellen. Wir verurteilen alle, die die Taten des Terrors auf unseren Straßen bejubeln.“
Daher sei es unsere Aufgabe, „Räume zu öffnen und Gelegenheiten für Dialoge zu schaffen, in denen die jeweils eigenen Betroffenheiten und Sichtweisen aus jüdischer, aus christlicher und aus muslimischer Perspektive gehört und wahrgenommen werden. Räume, in denen ein respektvoller Umgang eingeübt werden kann. Die Vision des gerechten Friedens gehört zum Kernbestand christlicher Verkündigung. Gerechter Frieden schützt Menschen vor Gewalt, baut Not ab, fördert die Freiheit und gewährt kulturelle Vielfalt. Das wollen wir erneut bekräftigen und unterstützen jegliche Initiativen, die ein Leben im Frieden in Gerechtigkeit und mit Würde für alle Menschen im Heiligen Land und selbstverständlich auch hier in Deutschland zum Ziel haben.“
Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Posaunenchor der Ev. Stadtkirchengemeinde umrahmt.
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