Erinnerung an jüdische Familie Kahn in Groß-Gerau
Man stolpert mit dem Geist
Heidi Förster11.10.2024 hf Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Ich bin sehr beeindruckt, wie viele ihr seid und wie ihr euer Interesse an euch, an Glaube und Kirche teilt“, sagte Jay Kahn den Jugendlichen in der Ev. Stadtkirche. Gemeinsam hatten sie sich den Film „Was ist die nächste Frage“ angeschaut, der die Stolpersteinverlegung vom 16. November 2012 und das Schicksal seiner von den Nazis verfolgten und zum Teil ermordeten Verwandten dokumentiert.
„Man stolpert im Geiste“ erklärte Ulrich Trumpold vom Förderverein für jüdische Geschichte und Kultur im Kreis Groß-Gerau „und verbeugt sich vor den Opfern, wenn man ihre Namen liest“. Die Stolpersteine halten die Erinnerung an die Familie Kahn wach, die in Groß-Gerau lebten und das Kaufhaus Kahn unterhielten. Sie wurden von den Nazis vertrieben, teilweise deportiert und ermordet. Leopold und Johanna Kahn wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Ausschwitz ermordet. Julius und Frieda Kahn war 1941 die Flucht in die USA gelungen, ihr Sohn Karl Kahn, der Vater von Jay Kahn, konnte 1936 in die USA fliehen.
Die Stolpersteine, so Prawitz, „sollen uns immer wieder daran erinnern, dass so etwas nie wieder passieren darf.“ Und doch nehmen Anschläge auf Jüdinnen und Juden zu. Prawitz erinnerte an den Überfall auf die Synagoge in Halle vor fünf Jahren und daran, dass die jüdischen Familien am 7. Oktober, ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel, aus Angst vor Anschlägen ihre Kinder nicht in die Schule geschickt hätten. In Zeitz im Süden Sachsen-Anhalts haben Unbekannte an diesem Tag alle Stolpersteine aus dem Boden entfernt. Jay Kahn erklärte, dass eine Versöhnung von Opfern und Tätern schwierig sei. „Beide müssen sich verbinden wollen. Ich sehe es als meine Aufgabe und fühle mich verantwortlich, mich dafür einzusetzen, dass Verbindungen wieder möglich werden.“
Gemeinsam mit den Konfirmand*innen, Pfarrerin Josephine Haas und einigen Groß-Gerauern, darunter einige Paten der Stolpersteine, wurden um 17.00 Uhr die Stolpersteine vor dem heutigen Kaufhaus Braun geputzt und poliert. Auch Bürgermeister Jörg Rüddenklau hieß Jay und Cheryl Kahn in Groß-Gerau herzlich willkommen. Jay Kahn ist Bürgermeister von Keene, einer kleinen Stadt in New Hampshire und wird noch die Partnerstadt Einbeck bei Göttingen besuchen. Jay Kahn bedankte sich bei einer Gesprächsrunde im Historischen Rathaus bei den Groß-Gerauern mit den Worten: „Ich danke allen für die große Freundlichkeit und dafür, Teil der Gedenkgemeinde sein zu dürfen. Ich habe hier viele gute, hilfsbereite Menschen getroffen, die zu Freunden geworden sind.“
In Groß-Gerau wurden bis heute ca. 80 Stolpersteine verlegt und weitere sollen folgen.
Heidi Förster
Öffentlichkeitsarbeit
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