Abrahamisches Podium in der Ev. Stadtkirche Groß-Gerau
Zur Debatte um den § 218
Heidi Förster24.09.2024 hf Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Petra Kunik von der jüdischen Gemeinde Frankfurt erklärte: „Bis zum Zeitpunkt der Geburt sieht die Mehrheit der Rabbiner einen Embryo nicht als eigenständiges Wesen an, sondern nur als Teil der Mutter. Bis zum 40. Tag nach der Befruchtung wird der Embryo im Mutterleib als „pures Wasser“ betrachtet.“ Nach dieser Frist führe der Weg zu einem Schwangerschaftsabbruch nach israelischem Recht über eine Kommission, die aus zwei Fachärzten, einem Rabbiner und einem Sozialarbeiter bestehe, von denen mindestens eine Person weiblich sein müsse. Die meisten Anträge auf Abtreibung würden genehmigt. Mit Blick auf die USA, wo der oberste Gerichtshof das seit 1973 festgeschriebene Recht auf Abtreibung zu kippen droht, herrsche Einigkeit bei allen jüdischen Gemeinden und Organisationen, dass dies ein Angriff auf die Religionsfreiheit von Juden in den USA sei. Der Rabbi Tucker habe betont: „Jeder sollte die Freiheit besitzen, eine so komplexe und tief persönliche Entscheidung mit sich selbst, seinem Gewissen, seiner Familie, seinem Arzt, seinem Rabbiner und seinem Gott zu treffen.“
Jasmina Makarevic erklärte aus muslimischer Perspektive, dass im Koran der Embryo bis zum 40. Tag als „unbeseelt“ gelte und dass es bis dahin keine Einschränkungen zur Abtreibung gäbe. Nach dieser Frist sei der Abbruch nur erlaubt, wenn Gefahr für das Leben der Mutter bestehe. Finanzielle Gründe oder das Geschlecht des Kindes rechtfertigten keinen Abbruch.
Makarevic erzählte, dass während des Balkankrieges in dem Frauen massenhaft vergewaltigt wurden, diese bis zum 40. Tag in den Lagern festgehalten und die Kinder oft zur Adoption freigegeben worden seien. Da in den Geburtsurkunden dieser Kinder der Name des Vaters nicht aufgeführt werde, seien diese lebenslang stigmatisiert.
Pfarrer Wolfgang Prawitz, der die Gesprächsrunde moderierte, erklärte, dass die Evangelische Kirche Deutschland in einer Stellungnahme zum §218 fordere, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, damit sich Frauen für ein Kind entscheiden können.
Anne-Marie Rehbein von der Regionalen Diakonie berichtete aus ihrer Praxis der Schwangerenberatung: „Wir beraten ergebnisoffen und vorurteilsfrei. Keine Frau fällt die Entscheidung leichtfertig.“ In die Beratung kämen meist 20 bis 40-Jährige.
Psychische Überbelastung oder bereits der Abschluss der Familienplanung stellten häufige Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch dar.
Einigkeit herrschte darüber, dass es das Selbstbestimmungsrecht der Frauen zu bewahren gelte und dass Aufklärung und Rahmenbedingungen für Familien dringend verbessert werden müssten. Allein in Groß-Gerau fehlten 400 Kindergartenplätze.
Heidi Förster
Öffentlichkeitsarbeit
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