Dekanat Rüsselsheim

Angebote und Themen

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        "Gegen den Strom..."

        In den letzten Jahren scheinen sich die negativen Nachrichten zu häufen. Falsche Informationen geistern durch die Welt, wir können nur noch schwer unterscheiden, was der Wahrheit entspricht und was nicht. Menschen werden skeptischer, die Verunsicherung und das Misstrauen wachsen. Vielleicht herrscht zur Zeit sogar eine „Vertrauenskrise“. Halbwahrheiten über Europa schüren die Angst vor der Zukunft und Menschenrechte werden plötzlich zur Bedrohung unserer vermeintlichen Sicherheit im Wohlstand. In unseren Hinterköpfen spüren wir eine anonyme Angst, die inzwischen von vielen Besserwissern ausgenutzt wird.

        Ich bin allerdings der Überzeugung, dass wir in der Welt zur Zeit zu sehr mit der Angst der Menschen spielen. Und das kann ein gefährliches Spiel sein. Natürlich brauchen wir Menschen ein gewisses Maß an Angst als Anstoß zur Veränderung. Aber zu viel Angst trübt den Blick und nimmt uns den Mut, Neues auszuprobieren. Zuviel Angst ist ein ausgesprochen schlechter Ratgeber. Menschen ziehen sich dann leicht zurück und beharren auf Verhaltensweisen, die ihnen bekannt sind. Sie verlieren den Mut und das Vertrauen.

        Deshalb mag ich die Losung des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages, der in dieser Woche in Dortmund stattfindet: „Was für ein Vertrauen“

        Ein Motto gegen den Strom in einer Welt voller Skepsis. Anfangs stand ich sogar dem Motto selbst skeptisch gegenüber. Wem kann man denn noch vertrauen? Wer ist denn noch vertrauenswürdig? Ist Kirche mit diesem Motto vielleicht sogar selbst ein bisschen einfältig oder naiv? Eine gewisse Blauäugigkeit wird uns Kirchen ja leicht unterstellt.

        Meiner Ansicht nach ist diese Losung zu diesem Zeitpunkt aber genau richtig. Wir können diese Vertrauenskrise überwinden, wir können der Angst und dem Misstrauen ein großes Fest entgegensetzen, das Lebensmut und Freude zusammenbringt mit Nachdenklichkeit und Diskussion. Vertrauen kann nicht befohlen werden – Vertrauen kann nur wachsen.

        Welches Umfeld, welche Atmosphäre könnte sich dafür besser eignen als ein Kirchentag.

        Das ist eine Erfahrung, die Kirchentagsbesucherinnen und Besucher schon seit vielen Jahren machen: Gesang in den U-Bahn-Stationen auf den Wiesen und in den Messehallen fördern das Zutrauen zueinander. Viele tausend Menschen begegnen sich fröhlich und ernsthaft und prägen die Region der Veranstaltung auf eine ganz besondere Art. 
        Wenn ich einen Kirchentag besucht habe, bin ich nach diesen Tagen immer mit dem Gefühl zurückgekehrt: „Ja, es geht auch anders!“ Es gibt viele Menschen, die die Welt genauso erleben wie ich, die auch bereit sind, mit Engagement für Veränderung einzutreten.
        Daraus erwächst eine Kraft gegen Angst und Misstrauen. „Was für ein Vertrauen“ ist ein wohltuender Satz, der hoffentlich viele Menschen berührt und bewegt. Er trägt etwas in sich, das unser Leben verändern kann.

        Ich werde nicht nach Dortmund fahren, aber ich werde die Berichterstattung aufmerksam verfolgen, um auch ein bisschen von der Stimmung in mir aufzunehmen.

        Vielleicht sehen Sie sich auch die ein oder andere Sendung über diese Veranstaltung an.

        Herzliche Grüße

        Klaus Gottschlich

        Fridays for Future

        Liebe Leserinnen und Leser,

        Fridays For Future – auch für diesen anstehenden Freitag sind wieder Demonstrationen angesagt. Es sind hauptsächlich Schülerinnen und Schüler, die für eine Klimapolitik demonstrieren, welche auch den jungen Menschen noch eine Zukunft verspricht. Angeregt von der Klima-Aktivistin Greta Thunberg gehen sie freitags, auch während der Schulzeit, auf die Straße. - Die Reaktionen darauf, wie ich sie von Politikern beobachtete, war bei einigen: Es ist ja nett, wenn junge Leute sich ihre Meinung bilden und dafür einstehen – aber bitte nicht zur Unterrichts-Zeit! Für mich ist diese Reaktion nicht so recht nachvollziehbar. Wenn jemand einem, der in einen Hungerstreik tritt, sagt: „Nichts gegen Deine Meinungsäußerung, aber lass das mit dem Hungern, Du schadest damit Dir nur selbst!“ weiß ich nicht, ob er verstanden hat, worum es der betreffenden Person geht. Einige wenige Politiker haben die jungen Leute unterstützt, andere haben sie abgewertet und beleidigt. Inzwischen erwägen Politiker mehrere Bundesländer, die Bewegung mit Bußgeldern zu stoppen.

        Dass diese Bewegung Schulunterrichtszeit bewusst für ihr Anliegen opfert, gibt ihrer Aktion die Aufsehen erregende Note. Zumal – je nach Bundesland und je nach Schulleitungs- und Lehrerschaft - das Fernbleiben vom Unterricht auch und gerade in diesem Fall als „Ordnungswidrigkeit“ gewertet werden kann. Die Akteure gehen unter Umständen ein Risiko ein. Von KonfirmandInnen wurde mir zudem berichtet, dass sie zudem erlebt haben, wie ein Mitschüler 0 Punkte in einer durch die Aktion versäumten Klassenarbeit bekam.

        Nun ließe sich sagen: genau das zeigt doch, wie ernst es den jungen Leuten ist mit ihrem Anliegen. Stattdessen hält sich das Urteil, diejenigen, die Mitmachen, tun dies, um die Schule zu schwänzen. Dieses Urteil besteht nicht nur bei jenen Schulleitungen, Lehrern und Eltern, denen die „Ordnung“ am Herzen liegt. Unter den Jugendlichen selbst scheint dieses (Vor-)Urteil weit verbreitet zu sein. In der einen meiner beiden KonfirmandInnen-Gruppen meinten die Jugendlichen, dass 70% der an den Demonstrationen Teilnehmenden dies in erster Linie tun, weil sie damit die Schule schwänzen könnten. Von den 10 anwesenden Jugendlichen hatten drei an der Aktion Fridays For Future teilgenommen. In der anderen Gruppe meinten die 10 anwesenden Jugendlichen sogar, 90% gingen nur wegen des Schulausfalls hin. Von ihnen hatte niemand an der Demonstration teilgenommen. Daraus schließe ich: jene, die sich an den Fridays For Future – Aktionen beteiligen, riskieren sogar bei den eigenen Mitschülern als Schulschwänzer zu gelten.

        Dennoch spürte ich bei den Jugendlichen, die alle! über die Sache Bescheid wussten, eine gewisse Sympathie für das Anliegen der Bewegung. Einige sagten verärgert, sie hätten in ihrer Schule darüber überhaupt nichts erfahren, andere erlebten bei ihrer Lehrerschaft Wohlwollen für dieses Anliegen und wieder andere wären auch mitgegangen, hätten sie sich nicht durch die Drohungen der Schulleitung und oder der LehrerInnen davon abgehalten lassen.

        Für mich stellt sich die Frage, warum so wenig über das Anliegen der Jugendlichen selbst diskutiert wird, anstatt über ihr „Fehlverhalten“. Könnte es sein, dass das Fernbleiben vom Unterricht einerseits zwar die Aufmerksamkeit der Bewegung steigert, andererseits aber auch benutzt wird, um die Aufmerksamkeit vom Anliegen weg hin zu einer „Nebensache“ zu lenken? Warum wird auf ein Fehlverhalten von SchülerInnen, das niemandem sonst schadet außer ihnen selbst, sofort und sehr laut reagiert, während auf das umweltzerstörende Fehlverhalten von Konzernen, von Gruppen oder Einzelpersonen nur zögerlich oder gar nicht reagiert wird? Wenn nun das Argument kommt, dass es gegen dieses umweltzerstörende Fehlverhalten von Konzernen, Gruppen oder Einzelpersonen keine rechtliche Handhabe gibt, dann hinterfrage ich auch dies: warum ist das so? Warum reagieren insbesondere die ordnungsbetonenden Politiker an dieser Stelle nicht mit einer entsprechenden Gesetzgebung? Was sehen sie als Ihre Aufgabe? Ist der nächste Wahlerfolg tatsächlicher wichtiger, als die Zukunft aller?

        Die Bewegung Fridays For Future kündigt auch für den 24. Mai, also zwei Tage vor der Europawahl Demonstrationen an. Das ist ein bewusst gewählter Termin, um alle an ihre Verantwortung nicht nur für Europa, sondern für die gesamte Erde zu erinnern.

        Das Risiko, das die jungen Leute eingehen, ihr Mut und ihr Engagement erinnert mich als Christ, der gerade die Passions-Zeit feiert, an jenen, der sogar seinen Tod in Kauf nahm, um dem Leben und der Welt zu dienen. Nach alter Tradition ruft die Passions-Zeit zur „Umkehr“ auf. Die jungen Klima-Aktivistinnen und Aktivisten tun dies in ihrer Weise auch. Nehmen wir sie ernst – und vor allem ihr Anliegen!

        Eine fruchtbare Rest-Zeit der „Besinnung“ wünscht Ihnen

        Ihr

        Wilfried Ritz, Pfarrer in Ginsheim

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